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Die innere Uhr

Bei allen komplexen Stoffwechselvorgängen spielt die innere Uhr eine Rolle. Die innere Uhr sagt den Organen: „ Schütte jetzt Hormone aus!“. Oder, „Tu das nicht jetzt, sondern erst in 12 Stunden“. Oder, „Mach das besonders intensiv“. Oder auch, „ Jetzt brauchen wir es nicht unbedingt, warte noch“. Die  innere Uhr reguliert unser Schlaf-Wach-Verhalten, also auch die Stoffwechselgänge. Wenn wir schlafen, sind wir acht Stunden nüchtern, das heißt, der Körper muss den Stoffwechsel umstellen. Alle Zellen in unserem Körper, ob in der Leber, im Herzen, im Gehirn, in den Muskeln der Haut, haben innere Uhren. Damit der Stoffwechsel optimal laufen kann, müssen diese Zellen aufeinander abgestimmt werden. Deshalb ist es die wichtigste Aufgabe der inneren Uhr das tagesrythmische Verhalten zu steuern, also den Körper optimal auf diesen Tagesrythmus einzustellen. Die innere Uhr des Körpers baut sich einen eigenen inneren Tag. Dieser wird mit dem Außenrythmus synchronisiert- mit Tag und Nacht also. Nur so schafft er sich auf bestimmte Anforderungen einzustellen. Die innere Uhr sagt beispielsweise schon lange voraus, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt die Sonne aufgeht. Der innere Stoffwechsel kann sich dementsprechend darauf einstellen. Der innere Rhythmus ist normalerweise auf 24 Stunden eingestellt. Es gibt nur sehr wenige Menschen die einen kürzeren Rhythmus haben. Licht und Dunkelheit sind unsere wichtigsten Zeitgeber. In unserer modernen Welt ist es aber nun so, dass es fast nie richtig dunkel ist, außer in der Zeit in der wir schlafen. Und wir erleben nur selten richtige Helligkeit, weil wir so wenig draußen sind. Das führt dazu, dass die innere Uhr bei den allermeisten zu spät dran ist. Wir können daher nicht rechtzeitig einschlafen und werden am Morgen vom Wecker aus dem Schlaf gerissen um rechtzeitig zur Arbeit und zur Schule zu gehen. Das ist nicht Faulheit. Schuld daran ist unsere innere Uhr. Wir richten uns nämlich immer nach dem Takt unserer inneren Uhr. Es gibt sogenannte „Frühtypen“, die abends beim Fernsehen einschlafen. Das Gegenteil ist zum Beispiel bei Jugendlichen der Fall, die in der Stadt leben, wo es ständig, auch in der Nacht, hell ist. Wenn du denen sagst, dass sie um 10 Uhr ins Bett gehen  sollen, tun sie das vielleicht, schlafen aber bis Mitternacht nicht ein. Die innere Uhr ist auf Grund unserer Lichtgebung viel zu spät dran. Wenn die innere Uhr nicht verstellt wäre, dann wären die Menschen deutlich früher müde, könnten einschlafen und bräuchten am Morgen keinen Wecker. Kleine Kinder zeigen eindeutig, dass  ihre innere Uhr sehr viel früher dran ist. Die innere Uhr sagt ihnen „ Ich will jetzt ins Bett, mir reicht’s!“ Morgens sind sie bei den ersten Sonnenstrahlen hellwach, leider auch sonntags, zu unserem Leidwesen. Wenn die inneren Uhren der Zellen nicht richtig synchronisiert werden, sind die verschiedenen Teile des Körpers nicht richtig auf einander abgestimmt. Dadurch steigt das Risiko, fettleibig zu werden, oder an einem Diabetes zu erkranken. Und wenn die innere Uhr chronisch aus dem Takt ist, steigen langfristig die Wahrscheinlichkeiten an bestimmten Krebsarten zu erkranken. Auf den Alltag wirkt sich die verstellte innere Uhr dahingehend aus, dass man nicht so gut schlafen kann, sich nicht mehr so gut konzentrieren kann, der Intellekt wird eingeschränkt und die Intelligenz geht „flöten“.

Welche Folgerungen ergeben sich daraus? Man sollte den Unsinn einer Zeitumstellung (Sommerzeit/Winterzeit) vermeiden! Betriebe sollten darauf bestehen, dass ihre Mitarbeiter ohne Wecker leben und so nicht nur gesund schlafen, sondern auch ihre beste Zeit der Arbeit widmen - dass ist produktiver ist und macht mehr Spaß. Man sollte Schichtarbeitern ihre Arbeitszeiten so einteilen, wie es ihrer inneren Uhr entspricht und nicht alle durch alle Schichten jagen. In der Diagnostik und Medizin sollte sowohl die Diagnostik, als auch die Therapie auf die individuelle Innenzeit abgestimmt werden und nicht auf die Uhr.

Der Amerikaner Jeffrey C. Hall, Michael Rosbash und Michael W. Young erhalten 2017 den Nobelpreis für Medizin für ihre Grundlagenforschung über circadiane Rhythmen, bekannt als die „innere Uhr“. Diese Zeilen sind einem Interview des  Chronobiologen Till Roenneberg entnommen, das er am 5. Oktober 2017 der ZEIT, in diesem Zusammenhang gab.

 

Quelle: T. Roenneberg, „Das ist nicht Faulheit“, DIE  ZEIT, Nr. 41, S34