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Leben mit Parkinson Syndrom

Meine Freundin hat Parkinson Syndrom im fortgeschrittenen Stadium. Ich habe einen Artikel über diese chronische Erkrankung in der ZEIT gelesen und möchte nun sehen, wie meine Freundin Magdalena ihre Krankheit erlebt.

Magdalena und ich verabreden uns in unserem Lieblings Café um ihren Geburtstag nachzufeiern. Wir hatten uns seit ihrem Kuraufenthalt in Radkersburg nicht mehr gesehen. Ich bin schon sehr gespannt auf unser Treffen. Magdalena schrieb mir schon auf Whats App wie toll ihr Aufenthalt sei. Wie gut das Essen und wie nett und kompetent die Betreuung. Als ich sie daheim abhole, fällt mir auf, dass Magdalena mit ihren Rollator nur sehr langsam unterwegs ist. Als ich sie ins Auto steigen lasse, und sie kurz, für ein, zwei Schritte frei gehen muss, wirkt sie so unsicher, dass ich Angst  bekomme, sie stürze. Das steht in starkem Widerspruch zu dem was sie mir später bei Cafe und Kuchen erzählt. Ich frage sie nach den Fortschritten auf der Kur. „Ich konnte schon über einen längeren Zeitraum 8km/h auf dem Laufband gehen. Auch frei gehen konnte ich. 50m den ganzen Gang entlang, nur mit dem Handlauf.“ Sie erzählt, wie sie von den Therapeuten instruiert wurde: „Zuerst den Fuß heben wie ein Storch, dann einen laaa..ngen Schritt machen, indem ich auf der Ferse aufkomme und bis zu den Zehen hin abrolle. Ganz langsam und sehr konzentriert.“ Dann wird sie nachdenklich. Sie meint, seit sie wieder daheim sei, in ihrer kleinen Wohnung, habe sie alles wieder vergessen und fühle sich wieder sehr unsicher.  Es wäre, als würde das Gehirn Signale senden, die nicht in den Beinen ankommen. Magdalena ist eine jener Parkinson Patientinnen die sehr gut über ihre Krankheit Bescheid wissen. Sie kennt den Ursprung und weiß, dass die fehlende Ausschüttung des Botenstoffes Dopamin der Grund ihres Leidens ist. Am meisten leidet sie unter der „Schüttellähmung“. Wenn sie ihre Medikamente wieder einmal neu einstellen muss, weil sich die Erkrankung verschlimmert, traut sie sich gar nicht mehr unter die Menschen. „ Ich verschütte die Suppe und patze mich mit dem Essen an.“ Die Leute ekeln sich dann vielleicht vor mir, das möchte ich nicht“. Dieses Zittern der Arme und Beine, das Zucken am ganzen Körper, das unfreiwillige Vorbeugen, die kleinen Trippelschritte, das Maskengesicht können von Magdalena nicht beeinflusst werden. Sie ist sich der Vorgänge jedoch vollkommen bewußt.

Auf die Frage wann das Ganze angefangen hat, erinnert Magdalena sich an einen Autounfall. Jemand sei mit seinem Auto in das Heck ihres Fahrzeuges gefahren. Sie habe zwar nur ein Schleudertrauma gehabt, konnte aber nicht mehr aufhören zu zittern. Später, im Krankenhaus habe man dann nach mehreren Untersuchungen das Parkinson Syndrom festgestellt. Doch schon Jahre vorher, erzählt sie, kam es zum  Verlust des Riechvermögens. Sie erinnert sich, dass ihre Tochter sich aufregte, weil sie immer viel zu viel Parfüm auftrug und sie schon von weitem roch. Ihr selbst sei das nicht aufgefallen. Was noch auffiel, war eine von den Ärzten diagnostizierte,  „scheinbare“ Arthritis. Gelenks- und Muskelschmerzen zählen zu den Frühsymptomen eines Parkinson Syndroms. Auch sie sei, wie so viele andere, falsch diagnostiziert und behandelt worden.

Sehr oft, so kann man lesen, verlieren die Parkinsonpatienten ihre Feinmotorik. Bei Magdalena war das nicht der Fall. Sie verbringt Stunden und Tage mit ihrem Lieblingsbeschäftigung. Sie fädelt Ketten. Durch diese laufenden Fingerübungen hat sie kaum etwas von ihrer Feinmotorik verloren. Der Wecker auf Magdalenas Uhr läutet: Zeit für ihre Tabletten. Sie bestellt gleich noch eine Flasche Wasser. Sie habe nach der Einnahme immer so einen trockenen Mund. Ich frage sie nach ihren Medikamenten. Sie habe mit Madopar begonnen. Madopar ist ein Dopamin- Agonist. Das funktioniert meist gut. Leider lässt die Wirkung nach einigen Jahren nach und die Patienten brauchen eine höhere Dosis, so wie auch Magdalena. Sie meint, man hätte nicht gleich von Anfang an mit dem Madopar beginnen sollen. Meist ist nach 10 Jahren Schluß. Da wirkt das Medikament so eingeschränkt, dass die Menschen so hohe Dosen brauchen, dass die Nebenwirkungen unerträglich werden. „Ich habe oft Hallutinationen“, erzählt Magdalena, „Jemand steht plötzlich im Raum, oder klopft an der Tür. Schlimmer sind noch die Alpträume, die mich zu Schweissausbrüchen und Angstzuständen bringen.“ Wenn es ganz schlimm wird, muss sie dann wieder ihre Medikamente ändern oder weglassen. Dann allerdings wird das Zittern wieder mehr. Was ich mit Magdalena nicht bespreche,  aber in der Literatur finde, ist der oft auftretende Kaufrausch bei Parkinson Patienten. Das ist eine sehr beschämende Angelegenheit und für die Menschen die es betrifft, nur schwer zu ertragen. Besonders arg ist es bei armen Menschen, bei denen das Geld fürs Essen nicht reicht, wenn man die 10. Strampelhose fürs Enkerl kauft und selbst nichts mehr hat. Es werden auch Schulden gemacht. Die Banken geben Geld, so lange bis es nicht mehr geht. Dann werden Freunde und Verwandte angepumpt. Als Angehörige sollte man das wissen, und vor allem die Betroffenen nicht verurteilen, sondern sie unterstützen.

Ein Thema dass wir jedoch sehr intensiv diskutieren, ist die tiefe Hirnstimulation. Magdalena kennt diese Methode, möchte sie jedoch auf keinen Fall anwenden. Hier wird bei vollkommenen Bewusstsein den Patienten Elektroden und dadurch das Störfeuer der Nervenzellen blockiert. Forscher sprechen von einer bahnbrechenden Methode, die die Menschen wieder zum Laufen bringt. So berichten einige der Patienten, dass sie, was sie vorher kaum mehr schafften, nun den Fuß vom Boden heben können und wieder mit fließenden Bewegungen laufen können. Auch die Feinmotorik kommt wieder zurück. Natürlich muss den Patienten bewusst sein, dass die Krankheit im Hintergrund weiterläuft. Von Heilung kann also nicht die Rede sein. Dies enttäusche natürlich manche Patienten, meinen die Ärzte. Wichtig ist auf alle Fälle, dass Parkinson Patienten von einem Neurologen regelmäßig betreut werden. Forschungsergebnisse  aus den USA zeigen, dass 40% aller Parkinson Patienten nicht mit adäquaten Medikamenten versorgt werden.

Magdalena freut sich über unser Treffen. Ein schöner Geburtstag sei das, meint sie. Ein Lichtblick. Jemand der ihr zuhört. Dann bittet sie um ihren Rollator, der neben dem Tisch eingeparkt ist.

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