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Ein Rollator namens „Dorli“

 

Wie die Königin von Saba, aufgerichtet, den Kopf hoch erhoben und stolzen Schrittes, stolziert Magdalena  durch die Teppichabteilung des Einkaufzentrums. „ Ich nenne ihn „Dorli“, meint sie lachend und streicht stolz über das Gestänge ihres neuen Rollators. Wir kommen gerade vom Schnitzel Essen aus dem Restaurant. Heute ist Schnitzeltag. Um 3€50 bekommen wir ein Hühnerschnitzel mit Salat. Sie lädt mich ein. Wir müssen feiern! Wie eine Schneekönigin freut sie sich! Ein wenig muss sie noch aufpassen. Die Ecken und Kanten und die Beine der vielen Besucher an diesem Tag, verlangen ihre volle Aufmerksamkeit. Sie ist es noch nicht gewöhnt, dass sie nun den Raum, links und rechts und vorne, den die Räder des Rollators einnehmen, auch noch in ihren Gang einberechnen muss.

Magdalena wehrte sich lange gegen den Rollator. Bei ihrer letzten Medikamenteneinstellung im Spital brachte sie einen Verordnungsschein für die Krankenkasse mit nach Hause. Sie ist nun doch ganz froh, dieses Papier in Händen zu halten. Zu anstrengend wird inzwischen das Gehen mit den Stöcken. Magdalena leidet an der Parkinson´schen Krankheit im fortgeschrittenen Stadium. Sie nimmt inzwischen bis zu 22 Tabletten am Tag. Ein Wecker am Handy erinnert sie immer wieder an die Einnahme. Wenn sie die Tabletten nicht, oder zu spät nimmt, nehmen Magdalenas Symptome zu.

Als ich sie am Morgen abhole, um den Rollator zu kaufen, erwartet Magdalena mich schon in ihrer kleinen Wohnung. Sie ist aufgeregt. Ihre Hände und Arme zittern und sie kommt mir mit kleinen Trippelschritten, die so typisch für die Erkrankung sind, entgegen. Wir fahren in die Stadt und ich halte mit dem Auto vor dem Sanitätshaus um Magdalena aussteigen zu lassen. Sie soll sich inzwischen ein Modell aussuchen und ich suche einen Parkplatz.

Als ich ins Geschäft komme, probiert Magdalena schon fleißig. Zwei Rollatoren stehen für sie  und ihre Geldbörse zur Auswahl. Ein Gerät das die Krankenkasse zahlt, um ca.90€ und eines um 130€ welches sie selbst zahlen muss und nur einen Teil von der Krankenkasse zurückerstattet bekommt. Sie schaut mich erwartungsvoll an: „Welchen soll ich nehmen?“ fragt sie mich. „Du bist die Expertin!“ erwidere ich belustigt. Die junge Verkäuferin die sich gerade noch mit Magdalena unterhalten hat, wendet sich mir zu und beginnt mir nun die Vorzüge und Nachteile der Geräte zu erklären. Das Krankenkassenmodell sei wesentlich schwerer, und man müsste den Rollator, um ihn zusammenlegen zu können, erst einmal anheben. Für Magdalena mit ihren Gleichgewichtsstörungen ein Ding der Unmöglichkeit! Die Räder seien kleiner als bei dem teureren Modell und schlechter im Drehpunkt. Magdalena tendierte gleich zum wesentlich leichtern, wendigeren Modell. Ich bin ganz ihrer Meinung. Die Verkäuferin hat sich nun ganz auf mich fixiert und beginnt mir im Detail die Handhabung des Rollators zu erklären. Sie achtet nicht mehr auf Magdalena, die ja eigentlich ihre Kundin ist. Ich unterbreche die junge Frau und mache sie darauf aufmerksam, dass ja Magdalena den Rollator bräuchte, und nicht ich! Die Verkäuferin spricht, indem sie sich nun Magdalena zuwendet, plötzlich viel lauter und betont langsam.

Magdalena hat sich entschieden. Nachdem wir noch bei der Krankenkasse abklären wieviel Magdalena an Rückerstattung zu erwarten hat (nicht viel!), kehren wir zum Geschäft zurück um das Gerät abzuholen. Die junge Verkäuferin ist zur Stelle und sagt: „Soll ich ihnen den Rollator in einer Schachtel mitgeben? Dann können sie ihn daheim zusammenbauen!“ Magdalena und ich sehen uns an. „Nein, die Frau braucht den Rollator jetzt!“, bemerke ich. Wir sitzen und warten.  Es dauert nicht lange und Magdalena hält ihr Gerät in den Händen. Noch einmal erklärt die Verkäuferin Magdalena die Handhabung. Diesmal noch lauter und mit viel Ausdruck, als ob Magdalena senil und schwerhörig wäre. Ich sage der jungen Frau, dass es doch besser sei, Magdalena selbst machen zu lassen und  sie nur bei Bedarf zu unterstützen. Ich werde langsam ungeduldig.  Magdalena nimmt es gelassen und freut sich! Endlich frei! Sie kann nun wieder mit der Straßenbahn zum Markt fahren. Angstfrei! Sie kann sich zwischendurch hinsetzen, auf den kleinen Sitz der in den Wagen integriert ist. Die vordere Stange kann sie dabei als Rückenlehne benutzen und sie als Hilfe beim Zusammenlegen verwenden. Sie kann ihre Einkaufstasche in den integrierten Korb geben. Sie hat sogar ein Plexiglastablett, welches sie am Sitz befestigen kann, für den Kuchen, den sie  den sie nun für die Seniorenrunde im Haus backen wird. Magdalena lacht übers ganze Gesicht. Ich bin vollkommen fasziniert, dass Magdalena nun plötzlich große Schritte macht.  Die kleinen Trippelschritte kamen auch von der Unsicherheit beim Gehen mit den Stöcken. Sie lässt sich von der Verkäuferin trotz deren Protest (das ist nicht nötig, die passen schon!) die Handgriffe höher stellen, und nimmt sich geduldig die Zeit, ihr nun im Gegenzug, laut und deutlich zu erklären, dass es gerade für Parkinsonpatienten wichtig sei,  die Haltegriffe höher zu stellen um eine starke Vorwärtsbeugung zu vermeiden, weil sich dadurch die immer wieder auftretenden Spasmen verstärken würden. Verschmitzt lächelnd bedankt sie sich, und hebt den Rollator über die Schwelle. Wir erkennen dankbar, dass die Technik manchmal wirklich ein Segen für die Menschen ist. Aber wir sind auch etwas ungehalten und enttäuscht. Nämlich darüber, dass unsere Mitmenschen, auch wenn sie wie diese junge Verkäuferin, in einem Fachgeschäft angestellt sind, Parkinsonpatienten nur auf Grund ihrer körperlichen Behinderung automatisch als senil und schwerhörig einstufen. Wir  erinnern uns  beide wehmütig an  Außenminister Mock, der Österreich trotz seiner Parkinsonerkrankung in die EU gebracht hat. Parkinson hat nichts mit Demenz zu tun. Zugegeben, im ganz späten Stadium kann es zu einer Demenz kommen. Aber Magdalena ist noch weit davon entfernt! Ding, Dong! Auf Magdalenas Handy läutet es. Sie muss ihre nächste Tablette nehmen.

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