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Stationäre Pflege: Segen oder Fluch?

Im Zuge meiner jahrelangen Erfahrung als  Dipl. Gesundheits- und Krankenschwester  habe ich gelernt, dass es zu wenig ist, jemanden der ein gesundheitliches Problem hat nach vorgegebenen Standards zu pflegen.

Als ich mit meiner Arbeit im Krankenhaus begonnen habe, dies ist immerhin schon 25 Jahre her, war es Usus die Menschen auf Grund ihrer körperlichen, psychischen oder geistigen Beschwerden einfach nach ihrem Krankheitsbild zu behandeln. Ich arbeitete als junge, 20jährige Krankenschwester auf einer orthopädischen Station in einem renommierten Krankenhaus in der Schweiz, wo Hüft-und Kniegelenke aus- und neu eingebaut wurden. Die Kranken wurden nach ihren Krankheiten benannt:  „Der Schenkelhals auf Zimmer 14 braucht einen neuen Verband! Die Knieprothese blutet, der Drain musste schon dreimal gewechselt werden!  Die Steißbeinfraktur von heute Morgen ist vom Operationssaal zurück und muss halbstündlich kontrolliert werden!“, wurde da bei der Dienstübergabe vom Nachdienst übergeben. Dazu sei bemerkt, wir waren ein Spitzenspital mit einem Spitzenteam. Unser Operateur war ein in Europa führender Arzt seines Faches, das Pflegepersonal war schon damals ein Vorreiter, was Pflegeplanung und Dokumentation anging. Die Kranken wurden auch ganz schnell wieder gesund. So verlies ein „Schenkelhals“ schon nach zwei Wochen nach intensiver Physiotherapie und klinischer Betreuung gehend an Stöcken das Haus.  Das dies heute alles in nur einer Woche von statten geht, liegt nicht nur an einer immer besser werdenden Operationstechniken,  besser koordinierten, standardisierten Abläufen im Spital, sondern vor allem an immer kürzer werdenden Liegedauer insgesamt. Warum ist das so? Ein Grund sind sicher die immer besser werdenden Diagnosemöglichkeiten. Die Technik hat sich darin in den letzten 20 Jahren rasant verbessert. Was sich aber auch verändert hat, ist das Tempo von Abläufen. Inzwischen haben die Menschen Namen bekommen, die fein säuberlich in digitale Dokumentationsmappen übertragen werden. Darunter setzt man Pflegeprobleme, Ziele und Maßnahmen. Alles schön standardisiert, nummeriert, kontrolliert, evaluiert. Parallel dazu hört man immer öfter  von ausgebrannten Ärzten und Pflegekräften die keine Zeit mehr für ein Gespräch mit dem Patienten haben. Die Technik und die standardisierten Abläufe haben etwas „Robotermäßiges“. Es wird vor allem in Akutspitälern mehr und mehr vergessen, welche Beziehung die Pflegenden in Bezug auf den Patienten spielen. Einerseits geht die heutige Pflege und Betreuung der Patienten von einem ganzheitlichen Menschenbild aus. Das heißt, dass der Mensch ein Wesen ist, der nicht nur aus dem Körper besteht, sondern auch psychisch, spirituell und in einem sozialen Umfeld betrachtet werden muss. Andererseits hapert’s enorm bei der Umsetzung. Durch enormen administrativen Aufwand und verwaltungstechnisch-und organisatorisch auferlegten Hürden und systembedingten Barrikaden und vor allem zu wenig Pflegepersonal, verringert sich der Patientenkontakt auf ein Minimum. Dies hat enorme Auswirkungen auf das Wohlbefinden der Menschen die sich in solchen Systemen aufhalten. Ich meine damit nicht nur die Patienten sondern auch das Personal. Meiner Erfahrung nach ist soziales Veralten und echte Empathie ein Grundbedürfnis eines jeden Menschen. Wenn dieses Grundbedürfnis auf Grund fehlender Kommunikationsmöglichkeiten nicht gelebt werden kann, geht ein großer Teil an Mitgefühl und Motivation verloren. Auf der Strecke bleibt der kranke Mensch.

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